Interview mit Michael Gautsch – Produzent

 

Wann ging es mit den Dreharbeiten los?
Wir sind im Juli 2012 nach La Palma geflogen. Die Regisseurin und Darstellerinnen hatten eine Woche Zeit, um sich kennenzulernen und zu proben, während meine Mitarbeiterin und ich uns um die Drehorte und den spanischen Cast kümmerten. Eine Woche später begannen dann die Dreharbeiten.

 

Das heißt, zwischen der ersten Idee zum Film und dem Kinostart von „Ungesagt“ liegen mehr als vier Jahre. Wieso mussten wir so lange warten?
Filme haben fast immer eine mehrjährige Entstehungszeit, jedenfalls dann, wenn sie für das Kino gemacht werden. Andere Produktionen, die mithilfe von Staatsfilmförderung produziert werden, haben eine lange Vorlaufzeit. Da kann es schon mal zwei bis drei Jahre dauern, bis die Finanzierung komplett ist. Wir konnten sofort anfangen zu drehen, als das Drehbuch fertig war, brauchten dann aber Zeit, um den Film selbst fertig zu finanzieren. Ich glaube auch, dass es für Filme wie diesen, der einen aktuellen gesellschaftlichen Bezug hat, wichtig ist, dass man sich das Erscheinungsdatum gut überlegt.

 

Ein zentrales Anliegen des Films ist, Menschen nicht in irgendeine sexuelle Schublade zu stecken, sondern diese Grenzen zu öffnen. Die Darstellerinnen sind heterosexuell, oder denken das zumindest, eine befindet sich sogar in einer Beziehung mit einem Mann. Möchte „Ungesagt“ typische Raster aufbrechen?
Menschen sind es gewohnt, zu etikettieren – es gab Schwule, es gab Lesben, deren Akzeptanz in der Gesellschaft Schritt für Schritt voranging. Jetzt ist es so weit, dass verstanden wird, dass es Männer gibt, die nur Männer lieben und Frauen, die nur Frauen lieben. Was aber noch nicht viel diskutiert wurde, ist, dass Liebe nicht unbedingt etwas ist, was mit dem Geschlecht zu tun hat, oder haben muss. Viel mehr, dass sie zwei Charaktere betrifft, zwei Temperamente, einfach zwei Menschen (oder mehrere, wenn wir schon dabei sind). Junge Menschen können alte lieben, alte Menschen können junge lieben, denn Liebe ist etwas Universelles. Sie wird nur in der Gesellschaft reglementiert, in Form der entsprechenden Sozialisierungen. Ich bin mehreren jungen Frauen begegnet, die mir von ihren sexuellen Erfahrungen mit Frauen erzählt haben, ohne von sich zu sagen, sie seien lesbisch oder wollen nur noch mit Frauen zusammen sein. Das sind einfach Erfahrungen, die manche machen wollen, ohne gleich in irgendeine Schublade gesteckt zu werden.

 

Die beiden Hauptfiguren Sarah und Marie sind Freundinnen, was der Geschichte nochmal eine andere Richtung gibt.
Freundschaft unterliegt im Allgemeinen sehr subtilen Regelungen und Normen, Sexualität ist in dem Bereich zum Beispiel etwas Verpöntes, ein Tabu. Freundschaft macht sich gerade dadurch bemerkbar, dass sie platonisch ist und von anderen Dingen bereichert und dominiert wird. Das ist die Problematik, die der Film anspricht – zwei Menschen befinden sich in einer Freundschaft und plötzlich treten völlig neue Gefühle auf, Gefühle der Liebe. Wie gehen Menschen dann damit um? Wenn es einem von beiden passiert, wie reagiert der andere darauf?

 

Was glauben Sie, woran es liegt, dass Freundschaft und Sex meist nicht zusammen funktionieren, zumindest nicht auf Dauer?
Vermutlich, weil Menschen Sexualität als eine Art Bindemittel verwenden, um eine Beziehung zu festigen. Das heißt, sie steht nicht einfach als Erlebnis dar, sondern wird verbunden mit einer sehr starken Gefühlswelt, die eine sichere Beziehung aufbaut. Dieses Konzept funktioniert bei der Freundschaft nicht.

 

Sie haben „Ungesagt“ sowohl produziert, als auch die Kamera geführt. Wie konnten Sie diese Tätigkeiten miteinander vereinbaren?
Der äußere Aufwand des Films war überschaubar, wir hatten bis auf das große Fest in der Mitte des Films keine sonderlich aufwendigen Locations benötigt. Der Film erzählt eine intime Geschichte, in der sich die Hauptfiguren eher an ruhige Orte zurückziehen, um ihre Zweisamkeit zu genießen. Und da Produzenten am Set eigentlich nichts verloren haben, außer durch ihre bloße Anwesenheit Unruhe zu stiften (lacht), war ich ganz auf meine Funktion als Kameramann fixiert. Das einzige Mal, wo ich mich als Produzent wieder eingeschaltet habe, war, als die Dreharbeiten um eine Woche verlängert wurden und somit die Flüge und alles Weitere verschoben werden mussten.

 

Während der Dreharbeiten auf La Palma gab es einen Waldbrand. Haben Sie davon etwas mitbekommen? Waren die Dreharbeiten davon betroffen?
Wir mussten einige Szenen auf dem einzigen Campingplatz der Insel drehen, welcher sich ausgerechnet in der sogenannten „roten Zone“, also in der Umgebung des Brandherds befand. Das bedeutete, dass eigentlich niemand dieses Gebiet betreten durfte. Unsere Drehgenehmigung hatten wir aber schon vor dem Brand eingeholt. Daher durften wir ausnahmsweise trotzdem dort drehen, auf eigene Verantwortung. Seltsam war dann allerdings, dass keine weiteren Menschen außer uns auf diesem Campingplatz waren. Wir mussten die komplette Szenerie arrangieren, uns Zelte ausleihen und aufstellen, um den Eindruck zu erwecken, dass es sich um einen echten Zeltplatz handelt. Es war geradezu gruselig, in dieser ausgestorbenen Zeltlandschaft, ganz ohne Bewohner. Noch dazu kam der Calima, eine Art Sandwind aus Afrika, der die Luft ganz diesig macht und die Sicht einschränkt. Der Himmel ist dann nicht blau, sondern grau, es wird heiß und vor allem sehr dunkel in der Nacht, weil das Licht der Sterne nicht durchscheinen kann. Es war derart dunkel, dass man sprichwörtlich die Hand vor seinen Augen nicht gesehen hat.

 

Das waren ja recht ungewöhnliche Bedingungen für die Dreharbeiten …
Man muss dazu sagen, dass dort ja die Liebesszene schlechthin gedreht wurde, das war schon ein wenig verrückt. Vier Nächte haben wir unter diesen Bedingungen verbracht, bei Sonnenuntergang begann die Arbeit und bei Sonnenaufgang gingen wir schlafen. Eines Nachts kamen dann auch mal zwei Jugendliche, die uns zugeguckt haben, die mussten wir natürlich des Platzes verweisen.

 

Oh, wurde gegafft?
Möglicherweise ein wenig, denn wir mussten das Zelt an mehreren Stellen aufschneiden, um die Kamera zu positionieren. Wir hatten es in mehrfacher Ausführung, denn irgendwann bleibt von so einem ausgeschnittenen Zelt nicht mehr viel übrig. Zur selben Zeit hatten unsere Darstellerinnen mit zahlreichen Spinnen zu kämpfen, weil die ganze Tierwelt durch das Feuer in Aufruhr zu sein schien, was natürlich sehr zuträglich für die romantische Stimmung war. (lacht)

 

Eine der beiden Hauptdarstellerinnen, Felicia Ruf, hat geschafft, wovon viele Mädchen träumen. Sie wurde entdeckt, ohne irgendeine Schauspielschule besucht zu haben. Wie kam es dazu?
Felicia hat sich in meiner Produktionsfirma um ein Produktionspraktikum beworben, weil sie Medien studiert hat. Bevor ich ihre Bewerbung las, habe ich das dazugehörige Foto angeguckt und dachte, das ist das Foto einer Schauspielerin. Als ich sie dann kennengelernt habe, hat sich mein erster Eindruck bestätigt, ich fand, sie gehört vor die Kamera. Sie verkörpert einen Frauentyp, den man so auf Schauspielschulen nicht findet.

 

Was ist das für ein Typ?
Süddeutsch, modern aber wertkonservativ. Eine junge Frau, die anscheinend weiß was sie will, sich aber trotzdem hin und wieder Fragen stellt und sich auch mal aus der Bahn werfen lässt. Die Schauspielschülerinnen in dem Alter sind meist etwas zu aufgedreht, um diesen zurückhaltenden Frauentyp glaubhaft verkörpern zu können. Sie werden in ihrer Ausbildung ja geradezu dazu gedrängt, die Zurückhaltung abzulegen, die Felicia in dem Film verkörpert.

 

Wie sind Sie auf La Palma als Drehort gekommen?
Es gab in meinem Leben Zeiten, wo ich mit sehr wenig Geld auskommen musste. So surfte ich eines Abends im Internet und fand bei einem Fluganbieter ein ganz tolles Angebot: La Palma, pro Person und Strecke, 29 EUR. Ich habe mir zuerst gedacht, das ist Palma de Mallorca. Aber die Flugzeit von rund fünf Stunden machte mich stutzig. Schnell fand ich heraus, dass es sich um eine Kanareninsel handelt, und ich habe die letzten günstigen Flüge gebucht. Als ich dort ankam, war gerade Karnevalszeit und drei Stunden nach meiner Ankunft stand ich mit meiner Kamera mitten im Karnevalstrubel, der dort südamerikanischen Charakter hat. Ich habe mehrere Stunden Aufnahmen gemacht, einfach um zu sehen, wie die Bilder werden.

 

Ihre filmische Liebe zu dieser Insel war also eine Liebe auf den ersten Blick …
Ja. Sechs Jahre später war es dann so weit. Die Voraussetzungen um einen Film zu drehen sind dort einfach ganz fantastisch, es gibt keinen großartigen Tourismus, Hotelhochburgen oder Fast-Food-Ketten. Die Zimmer sind fast alle privat und die Natur so gut wie unberührt, da liegen wunderschöne Landschaften neben spanischer Architektur, die mehrere Hundert Jahre zurückgeht.